5G über Satelliten könnte Lücken im Handynetz schließen

Anne Stephan nimmt 5G unter die Lupe: Beim Münchner Technologiekonzern und Messtechnik-Spezialisten Rohde & Schwarz erforschte sie schon die Möglichkeiten der Mobilfunk-Technologie, lange bevor sich die Öffentlichkeit mit 5G beschäftigte. Im Interview erläutert Anne Stephan, wie 5G der bayerischen Industrie hilft und Funklöcher bald aus dem Weltraum stopfen könnte.

Wie flächendeckend funktioniert 5G in Bayern? Um diese Frage zu beantworten, benötigen Netzbetreiber und Behörden exakte Daten. Das Münchner Unternehmen Rohde & Schwarz liefert die Messgeräte für genau diese Untersuchungen – und hat mit 6G schon die nächste Generation der Mobilfunkkommunikation fest im Blick.

Anne Stephan von Rohde & Schwarz.
StMWi/Q.Leppert

Zur Person: Anne Stephan ist Informatikerin. Schon zur Jahrtausendwende testete sie den damaligen 3G-Mobilfunk. Bei Rohde & Schwarz ist sie heute Vice President für Critical Infrastructure & Networks. Sie ist eine passionierte Outdoor-Sportlerin und wandert in ihrer Freizeit gerne auch mal durch den Grand Canyon. Darüber hinaus begeistert sie die Technik von morgen, ob das Operationen aus der Ferne, möglich gemacht durch neueste Mobilfunktechnologie, oder vernetzte Automobile sind. Nur zwei von vielen (nicht mehr ganz so fernen) Zukunftsszenarien, an denen Anne Stephan mit ihrem Team bei Rohde & Schwarz schon heute arbeitet.

Frau Stephan, wie lange beschäftigen Sie sich schon mit 5G?

Anne Stephan: Wir arbeiten seit mehr als zehn Jahren an 5G. Als Firma starten wir immer zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Wir sind zum Beispiel jetzt, wo 5G in Verwendung und in der Breite ausgerollt ist, schon an der Definition der nächsten Technologie mitbeteiligt. Und die 5G-Technologie ist zu Zeiten gestartet, als bei den Netzbetreibern 4G die „State of the Art“-Technologie war.

Was ist das Besondere an dieser fünften Generation des Mobilfunks und was kann sie für die Nutzer in Bayern leisten?

Stephan: Nutzer bemerken vor allem die höheren Datenraten. Das 5G-Netz ist leistungsstärker und schneller. Wer Videospiele mobil nutzt, muss extreme Datenmengen schnell übertragen. Wenn die Figur in einem Computerspiel nach links gehen soll, dann sollte sie das sofort tun und nicht erst in einer halben Sekunde. Der Sprung von LTE zu 5G ist für die Nutzerinnen und Nutzer allerdings weniger revolutionär als vor vielen Jahren der Sprung von der Sprachverbindung zur Datenverbindung. Sehr sichtbar ist 5G in der Industrie, dort gibt es viele Anwendungsfälle. Zahlreiche Unternehmen verwenden im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung private Netze, also zum Beispiel eigene Mobilfunknetze für ihre Fabriken. Die braucht es auch, weil es immer mehr Maschinen gibt, die drahtlos miteinander kommunizieren. Die wesentlichen Möglichkeiten der aktuellen 5G-Technologie, beispielsweise geringe Latenzzeiten oder hohe Datenübertragungsraten, sind auf die Industrie und ihre komplexen Prozesse und Anwendungen ausgerichtet.

Bei Rohde & Schwarz gibt es viele Fachleute für das Messen von Netzen. Wie gut ist 5G in Bayern?

Stephan: Wir liefern typischerweise unseren Kundinnen und Kunden die Messgeräte, mit denen sie das herausfinden können. Für die Netzbetreiber ist es sehr wichtig zu wissen, wie gut ihre Netzabdeckung und ihre Netzqualität an unterschiedlichen Orten sind. Da geht es auch um das Telefonieren im Zug oder aus dem Auto. Wenn das Netz abreißt und ein Telefonat abbricht, ist das immer ärgerlich. Ein anderer Fall: Wenn bald die Fußball-EM ansteht, gibt es besondere Herausforderungen: Dann wollen viele Leute gleichzeitig an einem Ort Daten übertragen und das Netz braucht Kapazitäten.

Interview mit Anne Stephan zu 5G

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Ihr Unternehmen befasst sich mit kritischer Infrastruktur. Inwiefern kann 5G hier zu mehr Sicherheit beitragen?

Stephan: Die 5G-Technologie ist in erster Linie ein Türöffner. Wird 5G zum Kommunikationsstandard für „Mission Critical“, dann wird damit zum Beispiel auch verschlüsselte Kommunikation für Feuerwehr, Polizei oder Behörden möglich und kann über Grenzen hinweg genutzt werden. In der Industrie bieten sich neben all den Möglichkeiten aufgrund der stetig fortschreitenden Digitalisierung auch immer Angriffsflächen. Da geht es dann um den Schutz von Netzwerken – etwa darum, Störungen und Anomalien frühzeitig zu erkennen. Viele Angriffe passieren erst nach der Firewall und auf eine sehr subtile Art und Weise. Es ist wichtig, diese Angriffe frühzeitig zu erkennen, zu klassifizieren und zu reagieren. Auch an solchen Lösungen arbeiten wir in meinem Team bei Rohde & Schwarz.

In Bayern gibt es schon Projekte im Rettungswesen, die 5G nutzen. Wie kann 5G in Notfällen helfen?

Stephan: Auch im Rettungswesen hat sich viel gewandelt. Bei der Feuerwehr kommen jetzt zum Beispiel vielfach Drohnen zum Einsatz, mit denen Einsatzorte gesichtet und Bilder sowie Videos für die Einsatzkräfte erstellt werden. Das vereinfacht die Einsatzplanung und kann helfen, die Sicherheit der Feuerwehrleute und anderer Rettungskräfte zu verbessern. Die 5G-Technologie ist auch für solche Anwendungsfälle im Rettungswesen gut vorbereitet und gut aufgestellt.

5G Technik.
Wo gibt es Funklöcher? Rohde & Schwarz vertreibt beispielsweise diesen Rucksack mit sechs Testhandys (links im Bild, ohne Rucksackhülle). Spezialisten können mit dem sogenannten Freerider zu Fuß die Mobilfunkqualität messen.
StMWi/Q.Leppert

Welche Trends sehen Sie für die Nutzung von 5G?

Stephan: Ich persönlich finde einen Anwendungsfall besonders spannend: 5G über Satelliten. Heute funktionieren Satellitenkommunikation und Mobilfunk getrennt voneinander, es gibt jeweils eigene Endgeräte. 5G bietet aber die Möglichkeit, eine Brücke zu bilden in der Kommunikation.

Das ist dann aber auch eher ein Anwendungsfall für die Industrie, oder?

Stephan: Das kommt drauf an. Ich bin viel draußen unterwegs und einer meiner Lieblingsorte ist der Grand Canyon. Da gibt es keine Infrastruktur für Kommunikation. Es gibt keinen Mobilfunkempfang – da lebt weit und breit aber auch kein Mensch. Daher wäre es wirtschaftlich nicht sinnvoll, dort ein klassisches Netz aufzubauen. Das brauche ich dort nicht. Was ich allerdings brauche, ist eine Kommunikationslösung für den Notfall. Heute besteht nur die Möglichkeit, über ein Funkgerät oder über Satelliten zu kommunizieren. 5G-Mobilfunk über Satelliten wäre da sehr interessant. Ich könnte zur Kommunikation auch in diesem Fall einfach mein Handy nutzen! Speziell in ländlichen und dünn besiedelten Regionen könnte diese Technologie helfen, Lücken im Handynetz zu schließen.

Wann wird 6G folgen und was wird es noch besser können als 5G?

Stephan: Es wird schon viel über 6G gesprochen, der Standard wird jetzt geschrieben. Ich persönlich rechne mit einer 6G-Technologie frühestens in fünf, sechs Jahren, vielleicht sogar erst 2030. Das hängt auch davon ab, wie sich 5G entwickelt. Ein möglicher Anwendungsfall für eine neue Technologie wären Remote-Operationen mit bildgebenden Verfahren – also eine Operation, bei der der spezialisierte Arzt aus ganz weiter Entfernung zugeschaltet ist. Im Operationssaal werden Videos und Bilder aus dem MRT drahtlos übertragen. Das bringt riesige Datenmengen mit sich und eine gewisse Latenz, also eine Verzögerung in der Übertragung. Um sicher zu operieren, müssen die Aussetzer in der Videoübertragung so klein wie möglich sein. Oder wenn es in einer Fabrikhalle einen Notfall gibt und alle Maschinen müssen ferngesteuert stoppen, dann muss das unmittelbar passieren. Mit 4G dauert es vielleicht die entscheidende halbe Sekunde zu viel, über 5G nur einige Millisekunden und mit 6G künftig wahrscheinlich noch weniger.