Autonomes Fahren, Roboter und computergesteuerte Operationen in der Medizin: 5G-Mobilfunk bildet die Grundlage für Technologien, die unser Leben besser machen. Doch wie kommt eine Technologie in die Praxis und wird zur Innovation? Genau daran arbeitet Karin Loidl, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der 5G Bavaria Testbeds in Nürnberg und in Rosenheim. Das Bayerische Wirtschaftsministerium fördert die Initiative.
Frau Loidl, Sie haben viele technologische Entwicklungen miterlebt. Was macht 5G-Mobilfunk so spannend?
Karin Loidl: Für mich ist die Brandbreite der Anwendungsmöglichkeiten besonders interessant. 5G bietet viele Potenziale für die Wirtschaft. Die Logistik, die Medizin oder die Automobilindustrie profitieren von der fünften Mobilfunkgeneration – und deshalb profitieren am Ende wir alle. 5G bildet die Basis für die Interaktion zwischen Menschen und Maschinen.
Was genau ist 5G?
Loidl: 5G ist die Weiterentwicklung der bisherigen Mobilfunkstandards. Die fünfte Mobilfunkgeneration zeichnet sich vor allem durch ihre Leistungsfähigkeit aus. 5G hat sehr kurze Übertragungszeiten und ermöglicht hohe Datenraten – mit 5G haben wir etwa die zehnfache Leistung von 4G. Für die normalen Mobilfunknutzenden bedeutet das zum Beispiel, dass Videos noch schneller als bisher verarbeitet werden können.
Hier werden manche Menschen einwenden: Ich habe schon 5G auf dem Handy – aber soll das schon die ganze Revolution sein?
Loidl: 5G entwickelt sich. Das ist vergleichbar mit Updates beim Rechner: Jede Mobilfunkgeneration ist in mehrere Releases unterteilt, also Veröffentlichungen. Etwa alle eineinhalb Jahre wird eine neue Veröffentlichung eingeführt, dann kommt eine Art 5G Plus, in der Standardisierung sprechen wir hier ab Release 18 von 5G Advanced. Bei 5G stehen wir heute gerade erst am Anfang mit Release 15 und 16. Wir können daher davon ausgehen, dass wir in den nächsten Jahren eine noch höhere Leistungsfähigkeit haben werden.
Was erwarten Profianwender von 5G?
Loidl: Ihnen ist vor allem die geringe Latenz von 5G wichtig. Die Latenz beschreibt den Zeitraum, den Daten auf dem Weg zwischen den Geräten benötigen. Mit 5G lassen sich Roboter oder autonome Fahrzeuge in Echtzeit steuern. Wenn ich ein Auto fernsteuere, muss der Befehl „Bremsen“ sofort ankommen und darf nicht zwei Sekunden unterwegs sein. Die Technologie ist komplex und Unternehmen haben hohe Anforderungen. Für unsere Kunden aus der Wirtschaft realisieren und optimieren wir die Systeme bis zur Marktreife.
Dazu betreibt das Fraunhofer IIS auch Testumgebungen in Bayern, etwa das 5G Bavaria Testbed „Industrie 4.0“. Was passiert dort?
Loidl: Wir testen dort mit und für Kunden die Anwendung von 5G unter realistischen Bedingungen. Dazu haben wir in Nürnberg eine ganze Industriehalle voller Technologie. Wir bauen hier viele Situationen nach, egal ob Zugabteil, Café, Logistikzentrum oder die Montagezelle einer Fabrik. Wir schauen, wie sich ein Funksystem in dieser Umgebung verhält, ob es die notwendigen Anforderungen erfüllt und wie viel Infrastruktur nötig ist, um die notwendige Genauigkeit und Zuverlässigkeit in der Kommunikation zu erreichen. Kunden aus aller Welt kommen zu uns, um sich über die neuesten technologischen Entwicklungen zu informieren und Messungen durchzuführen.
Ein Schwerpunkt Ihrer Forschung ist die Lokalisierung mit 5G. Beschreiben Sie doch mal, was damit gemeint ist.
Loidl: Wir wollen über das 5G-Netz Objekte punktgenau lokalisieren. Das funktioniert insbesondere in Gebäuden genauer als über GPS. Man kennt das vielleicht von der Navigation am Handy: Der eigene Standort ist oft nicht exakt. Mobile Roboter, die selbst fahren, müssen aber sehr genau und auch zuverlässig lokalisiert werden können.
Wie läuft ein typischer Arbeitstag am Fraunhofer IIS ab?
Loidl: Viele Mitarbeitende sind stark in Forschung und Entwicklung involviert und die Aufgaben sind vielfältig, ein Projektmanager ist zum Beispiel oft auch in die Entwicklung eingebunden. In der angewandten Forschung sind wir viel unterwegs, auch direkt bei den Anwenderinnen und Anwendern. Meine Aufgabe ist es beispielsweise die Schnittstelle zwischen der Technologie und den Kunden zu sein. Ich schaue, was eine Technologie können muss oder welche Probleme und Anforderungen es gibt, um die Technologie mit der Anwendung zu verbinden und daraus eine Innovation zu schaffen.
Woher kommt Ihre Leidenschaft für die Wissenschaft?
Loidl: Das wusste ich schon sehr früh. In der Schule waren Mathematik und Physik meine Lieblingsfächer, und dieses Interesse habe ich weiterverfolgt. Ich habe Elektro- und Nachrichtentechnik studiert und gemerkt, dass mir die Technologie allein nicht reicht. Also habe ich noch ein Wirtschaftsstudium drangehängt. Heute als Technology Advisor bringe ich die Technologie mit dem Markt zusammen.
Und was steht als Nächstes auf der Agenda der 5G-Forschung?
Loidl: In der Zukunft werden wir uns noch mehr mit dem Thema Zuverlässigkeit beschäftigen. Gerade in kritischen Industrieprozessen muss ein Netzwerk verlässlich sein. Auch Energieeinsparung wird eine größere Rolle spielen. Denn 5G ist deutlich energieeffizienter als ältere Mobilfunkgenerationen. Außerdem wird es eines Tages intelligente Oberflächen geben, die Funksignale sinnvoll reflektieren. Diese Oberflächen ermöglichen es, Signale zielgerichtet in Räumen zu steuern. Ich bin mir sicher: Die Arbeit wird uns in den nächsten Jahren nicht ausgehen.
Weiterführende Information: Karin Loidl hat für "Bayern spricht über 5G" in einem Livestream über die Technologie gesprochen. Das Video des Livestreams können Sie sich auf Instagram ansehen.