Ja, es ist kompliziert. Um zu erklären, was das Problem ist, braucht es eine Präsentation mit Diagrammen und mathematischen Formeln, ein Flipchart und drei Elektrotechniker. Martin Schwab, Peter Gersing, Christian Entsfellner und weitere Projektpartner tüfteln schon seit zwei Jahren an der Lösung und werden wohl noch ein weiteres Jahr brauchen, um ihr Ziel zu erreichen. Was ihr Ziel ist, das ist hingegen schnell erklärt: Sie wollen, dass Mobilfunknutzer überall störungsfrei telefonieren und auch über die neuen 5G-Netze ohne Probleme Daten hin- und herschicken können. Dafür entwickeln sie gemeinsam ein völlig neues Messgerät.
Das Projekt 5G-PIM ist eine Pionierleistung
„Wir arbeiten hier an einer Technik, die es so noch nicht gibt“, sagt Martin Schwab, Geschäftsführer der Firma GPP Communication aus Oberhaching. „Wir gehen völlig neue Wege, die erst mit neuer Technik denkbar sind“, ergänzt sein Mitarbeiter und Projektleiter Peter Gersing. Und Christian Entsfellner von der Firma Rosenberger aus Fridolfing fügt hinzu: „Wir bewegen uns an der Grenze zum Machbaren, ohne zu wissen, ob es am Ende Erfolg hat.“
Um zu verdeutlichen, wie schwierig ihre Aufgabe ist, bemüht Entsfellner einen Vergleich. Nimmt man die Entfernung von der Erde zur Sonne, 150 Millionen Kilometer, dann wollen sie ein Stückchen messen, das weniger als einen Millimeter lang ist. „Das ist nicht einfach. Das macht nicht jeder“, sagt Entsfellner. Die anderen nicken, und man sieht ihnen an, dass ihnen genau diese Herausforderung großen Spaß macht.
Vier Partner aus Bayern arbeiten gemeinsam an diesem Projekt namens 5G-PIM. Ihr künftiges Messgerät soll Störungen im Mobilfunknetz schneller und unkomplizierter finden als die Vorgänger. Das neue Gerät ist für den aktuellen Mobilfunkstandard 5G optimiert, günstig und zugleich so leicht, dass ein Techniker es allein tragen kann. „Wir haben eine enorm gute Zusammensetzung der Kompetenzen in diesem Projekt, um das Problem zu lösen“, sagt Projektleiter Gersing.
Eine bayerische Kooperation: Franken testen, Oberbayern bauen
Das Zusammenspiel läuft so: Die Firma Bonn-Elektronik aus Holzkirchen entwickelt einen extrem breitbandigen Hochfrequenz-Leistungsverstärker, die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg simuliert am Lehrstuhl für Technische Elektronik die Prozesse mit diesen Verstärkern und testet sie, die Firma GPP Communication aus Oberhaching liefert die Software, die es schaffen soll, mithilfe von Algorithmen die Störsignale aus den digitalisierten Signalen herauszurechnen – und zusammengebaut und kalibriert wird das alles bei Rosenberger in Fridolfing (Landkreis Traunstein).
Was genau ist 5G-PIM? Der Reihe nach: Mobilfunknetze sind zahlreichen Störquellen ausgesetzt. Solche Störquellen können zum Beispiel verschlissene Stecker an der Antenne sein. Aber auch ein rostiges Tor in der Umgebung, eine Regenrinne aus Zink oder rostige Stahlträger auf einer Baustelle werden manchmal zum Problem. Sie können Funkwellen so beeinflussen, dass sich Funkfrequenzen mischen. Experten sprechen dann von PIM, passiver Intermodulation. Martin Schwab erklärt PIM anhand eines vollen Bierzeltes: Im Durcheinander ist es so laut, dass wir die überlagernden Geräusche nur noch verzerrt wahrnehmen. PIM gibt es schon lange. Zum Problem wurde sie aber erst mit der Einführung des Mobilfunks und dadurch, dass die Bandbreiten immer größer wurden, um immer mehr Daten auf mehreren Frequenzbändern gleichzeitig über gemeinsame Verstärker und Antennen zu übertragen.
Im 5G-Zeitalter wird die Suche nach Störungen wichtiger
Christian Entsfellner zeigt auf einem riesigen Bildschirm Diagramme und malt Zahlen an ein Flipchart. Seine Botschaft lautet: Je mehr Leistung, desto mehr Störung. Zugleich erklärt er: Um einen hohen Datendurchsatz zu haben, muss das Störsignal möglichst klein sein. Peter Gersing fügt hinzu: Das Mobilfunkspektrum habe sich in den vergangenen Jahren immer mehr erweitert, um mehr Daten übertragen zu können. „Je mehr Frequenzbänder es gibt, desto mehr Signale gibt es. Und umso mehr Störsignale entstehen.“
Bisher versuchen Mobilfunkunternehmen oft, das Problem der Störsignale mit mehr Sendeleistung zu lösen. Doch das funktioniert nicht, siehe oben: mehr Leistung, mehr Störung. Die Handynutzer haben immer noch schlechten oder gar keinen Empfang. Das ist wie im Bierzelt: Eine Person schreit lauter, um gehört zu werden, die andere schreit noch lauter und so weiter.
Techniker können Problem gleich vor Ort lösen
Die Idee bei 5G-PIM ist also, die Störquellen zu finden und sie auszuschalten. Dazu muss man nicht unbedingt die störende Regenrinne abmontieren. Oft reicht es, die Antenne ein wenig anders auszurichten. Etwa so, dass die Funkwellen nicht auf die Regenrinne treffen, sondern darüber hinweggehen. Auch beim Ausrichten unterstützt das Messgerät. „Unser Projekt hilft dabei, die wichtige 5G-Technologie zu verbessern“, sagt Projektleiter Gersing.
Wie das konkret aussieht, zeigt Christian Entsfellner. Er führt quer durch die Montagehalle in Fridolfing, vorbei an Glaskästen, in denen Maschinen Stecker zusammenbauen. Durch eine Tür hindurch, und dann steht man im Labor. Auf einem Tisch liegt ein Metallkasten. Kabel, Kästchen und Stecker darauf sind miteinander verbunden. Dahinter liegt eine Mobilfunkantenne, daneben stehen zwei Monitore. Das ist der Prototyp. Aus ihm soll das Gerät werden, das Störungen im 5G-Netz schnell und einfach findet.
Zusammengebaut hat den Prototyp Simon Schadhauser, er ist Entwicklungsingenieur bei der Firma Rosenberger. Eine Herausforderung für ihn und seine Kollegen im Projekt ist, dass das neue Gerät Störungen in allen Frequenzbereichen finden soll – also in jenen, die das 2G-Netz nutzt, ebenso wie in jenen, die für 4G und 5G verwendet werden. Das gab es so bisher nicht.
Um den Unterschied des Prototyps zu einem der bisherigen Messgeräte zu erklären, holt Simon Schadhauser eines dieser älteren Geräte und stellt es auf den Tisch. Es ist ein grauer Kasten, 13 Kilogramm schwer. Auf der Rückseite kann er geöffnet werden, um ein Modul zu entfernen und ein anderes einzulegen. Ein Modul für jeden Frequenzbereich, für 2G, 3G (in Deutschland abgeschaltet) und 4G (LTE). Dieses Messgerät funktioniert also auch für mehrere Frequenzbereiche – nur muss man dafür ein Teil auswechseln.
Neues Gerät funktioniert auf vielen Frequenzen
Um zu verstehen, was ein Frequenzbereich ist, kann man sich mehrere lange Bänder vorstellen, von 700 Megahertz bis 3,6 Gigahertz. Auf diesen Bändern braucht 2G ein paar Abschnitte, also Frequenzbereiche. 3G braucht schon mehr Frequenzbereiche, und LTE beansprucht noch mehr Platz auf dem Band. Je mehr Platz, je breiter also das Band und desto mehr Daten können übertragen werden. 5G, über das sehr schnell sehr viele Daten gesendet und empfangen werden können, braucht deshalb noch mehr neue Frequenzbereiche.
Warum es so wichtig ist, ein Gerät zu haben, das das gesamte Frequenzspektrum abdecken kann, erklären die Männer auf dem Dach der Firma Rosenberger. Dort steht eine Mobilfunkantenne. Simon Schadhauser trägt das Messgerät nach oben und zeigt, wie es an eine Antenne angeschlossen wird. Unterhalb der eigentlichen Antennen sind an einem Sendemast mehrere graue Kästen befestigt. An diese Kästen wird das Messgerät mit einem Kabel angeschlossen. Dann simuliert das Gerät eine Signalsendung und zeigt schließlich an, in welcher Richtung und wie weit entfernt eine Störquelle die Signale behindert. Haben die Techniker ein Gerät für alle Frequenzbereiche, müssen sie nicht oben an der Antenne Module hin- und herstecken oder sogar mehrere Geräte dabeihaben. Dann reicht eines, das sogar noch zusätzliche Messfunktionen für 5G bietet. Und das ist ein Vorteil, wenn die Antennen zum Beispiel 40 Meter hoch an Sendemasten hängen.
Wenn das neue Messgerät fertig ist und Mobilfunk- und Serviceanbieter es kaufen, wird das am Ende dazu führen, dass Handynutzer ein besseres und schnelleres Netz haben. Dank Messtechnik made in Bayern werden wir alle mit unseren Smartphones ungestört Daten senden und empfangen und telefonieren, ohne dass die Verbindung mittendrin abbricht.