FAQ zum Netzanschluss neuer Erneuerbare-Energien-Anlagen
Die Energiewende und der damit verbundene Ausbau der Erneuerbaren Energien sind ein gesellschaftliches Großprojekt. Aktuell sind nach Angaben der drei großen bayerischen Verteilnetzbetreiber rund 18 Gigawatt an neuer Erneuerbare Energien-Anlagenleistung reserviert bzw. angefragt – zusätzlich zu den bereits angeschlossenen etwa 19 Gigawatt (Stand: Ende 2021). Zum Vergleich: die Jahreshöchstlast beträgt in Bayern rund 12,5 Gigawatt. Dabei handelt es sich zu einem großen Teil um große Photovoltaik-Freiflächenanlagen.
Sowohl bei den Installationsunternehmen als auch bei den Netzbetreibern kann es durch die hohe Nachfrage teils zu Verzögerungen in der Planungs- und Umsetzungsphase kommen. Die anhaltende pandemische Situation, die unter anderem damit verbundenen Verwerfungen in den Lieferketten und die sich aus dem Ukraine-Konflikt ergebenden Herausforderungen können diesen Effekt darüber hinaus verstärken. Um der hohen Nachfrage zu begegnen, reagieren Netzbetreiber mit Erhöhung der Personalkapazitäten, teilweise auch mit Samstagsarbeit und Ausweitung der Regelarbeitszeit.
Auch um Anschlussverzögerungen entgegenwirken zu können, ist das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie im ständigen Austausch mit den bayerischen Verteilnetzbetreibern. Die von Herrn Staatsminister Aiwanger im Oktober 2021 ins Leben gerufene Initiative „Verteilnetz und Erneuerbare Energien Bayern“ hat zum Ziel, in einem umfassenden Dialog mit allen relevanten Akteuren Hürden beim Ausbau und Netzanschluss von Erneuerbare Energien-Anlagen abzubauen. Dabei liegt der Fokus auf konkret in Bayern umsetzbaren Lösungsansätzen. Als ein wichtiger Baustein der Initiative wurde am 26. Juli 2022 ein umfangreiches Memorandum of Understanding (MoU) „Erneuerbare Energien schneller ans Netz“ unterzeichnet.
Im Folgenden finden Sie Antworten zu einigen wichtigen Fragestellungen beim Netzanschluss neuer Erneuerbare Energien-Anlagen:
Gerade im Hinblick auf die Planung neuer, größerer PV- oder anderer EE-Erzeugungsanlagen mit über 30 Kilowatt installierter Leistung ist zu empfehlen, einen geeigneten lokalen Netzanschlusspunkt für die Anlage frühzeitig prüfen zu lassen.
Die Verpflichtung eines Netzbetreibers zum unverzüglichen Anschluss einer Photovoltaik-Anlage an das Elektrizitätsverteilnetz ergibt sich grundsätzlich aus der Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Hiernach wird die Anlage über den Netzverknüpfungspunkt angeschlossen, der im Hinblick auf die Spannungsebene geeignet ist und die kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage aufweist (Luftlinie), sofern kein technisch und (gesamt-)wirtschaftlich günstigerer Netzverknüpfungspunkt vorliegt. Bei Anlagen von bis zu 30 kW installierter Leistung gilt allgemein der Verknüpfungspunkt des Grundstücks mit dem Netz als günstigster Verknüpfungspunkt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 EEG). Darüber hinaus besteht nach § 8 Abs. 4 „[d]ie Pflicht zum Netzanschluss [...] auch dann, wenn die Abnahme des Stroms erst durch die Optimierung, die Verstärkung oder den Ausbau des Netzes [...] möglich wird“.
Grundsätzlich gilt bei einem Netzanschluss von EEG-Anlagen, dass die Kosten von der Anlage bis zum Netzverknüpfungspunkt gemäß § 16 Abs. 1 EEG durch den Anlagenbetreiber zu tragen sind. Die entstehenden Kosten ab dem Netzverknüpfungspunkt und damit auch die Kosten für Optimierung, Verstärkung und Ausbau des Netzes trägt gemäß § 17 Abs. 1 EEG der zuständige Netzbetreiber. Von wesentlicher Bedeutung für den Kostenrahmen eines EE-Projekts ist die Lage des Verknüpfungspunkts bzw. die Entfernung von Anlage und Netzverknüpfungspunkt. Bei der Bestimmung des Netzverknüpfungspunkts sind auf Grundlage von § 8 Absatz 1 Satz 1 EEG u.a. die passende Spannungsebene und die Länge der Anschlussleitung wesentliche Faktoren.
Dem Netzanschluss geht eine Prüfung der notwendigen Netzkapazitäten voraus (Netzverträglichkeitsprüfung), weshalb Anlagenbetreiber ein Netzanschlussbegehren an die jeweiligen Netzbetreiber zu stellen haben. Gemäß § 8 Abs. 6 EEG müssen Netzbetreiber innerhalb von 8 Wochen nach Eingang aller erforderlichen Informationen eine Rückmeldung an den Netzanschlussbegehrenden übermitteln.
In aller Regel wird in Folge der Installation einer PV-Anlage der Wechsel des Stromzählers erforderlich. Der neue Stromzähler ermöglicht es, die Stromeinspeisung und den Strombezug korrekt zu messen und abzurechnen. Der Zweirichtungszähler übernimmt dabei die Funktion des Einspeisezählers und des Bezugszählers. Gleichzeitig wird auch der Eigenverbrauch an selbst produziertem Solarstrom berücksichtigt. Der wissentliche Betrieb der Anlage mit einem Stromzähler ohne Rücklaufsperre – ein rückwärtslaufender Stromzähler – gilt als Betrug und ist folglich zu unterlassen.
Für den Austausch des Stromzählers ist der grundzuständige Messstellenbetreiber (in der Regel ist dies der örtliche Netzbetreiber, sofern nichts anderes vereinbart, siehe unten) verantwortlich. Dabei dürfen zugelassene Installateure bei Neuanlagen die Zähler montieren, bei einem Gerätewechsel ist dies allerdings von Seiten des Netzbetreibers noch nicht zulässig. Ebenso gilt bei einer bereits vorhandenen modernen Messeinrichtung, dass die PV-Anlage vom zugelassenen Installateur in Betrieb genommen werden kann.
Sofern Ihnen jedoch der vom Netzbetreiber genannte Zeitraum für einen Zählerwechsel zu lang ist, steht Ihnen grundsätzlich auch der Wechsel Ihres Messstellenbetreibers offen. Der örtliche Netzbetreiber fungiert als grundzuständiger Messstellenbetreiber sofern nicht explizit ein anderer Betreiber von Ihnen vertraglich beauftragt wird. Allerdings sollte beachtet werden, dass für einen solchen Wechsel ebenfalls einige Zeit beansprucht wird.
Sofern Sie Zweifel an der Angemessenheit des Vorgehens Ihres Netzbetreibers haben, oben geschilderte Fristen abgelaufen sind und keine einvernehmliche Klärung der Situation möglich ist, stehen Ihnen folgende Wege offen: Zum einen können Sie Ihre Rechte zivilrechtlich durchsetzen. Zum anderen steht der Weg zur Clearingstelle EEG offen, einer Streitschlichtungsstelle, die auf Grundlage von § 81 EEG eingerichtet wurde.
Darüber hinaus besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sich mit Ihrem Anliegen an die zuständige Regulierungsbehörde zu wenden. Für den Vollzug des EEG ist gemäß § 85 EEG grundsätzlich die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde des Bundes zuständig. Konkret können Sie sich per E-Mail an den Verbraucherservice Energie der Bundesnetzagentur wenden.
Mit Blick auf den wachsenden Anteil der erneuerbaren Energien und den damit einhergehenden Fluktuationen bei der Stromerzeugung bedarf es vielfältiger Maßnahmen zur Stabilisierung des Stromnetzes. Große Photovoltaik-Anlagen werden deshalb über das sog. Einspeisemanagement in das Netz mit einbezogen. Bei kleineren Photovoltaik-Anlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 25 Kilowattpeak, für die die Beteiligung am Einspeisemanagement unverhältnismäßig wäre, gab es bisher nach § 9 Abs. 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2021) die Möglichkeit, die maximale Einspeiseleistung am Netzanschlusspunkt auf 70 Prozent der installierten Leistung zu begrenzen, um die sehr seltenen Leistungsspitzen zu „kappen“. Bei diesen Kleinanlagen sind die monetären und energetischen Verluste durch die Leistungskappung in der Regel sehr gering, der Beitrag zur Netzstabilisierung dieser Maßnahme ist in Summe aller Anlagen jedoch erheblich. Wird ein Speicher an die Photovoltaik-Anlage angeschlossen, so verringern sich die Verluste durch diese Maßnahme auf ein Minimalmaß. Dies liegt daran, dass die Begrenzung erst am Netzanschlusspunkt erfolgt.
Im Rahmen der kürzlich beschlossenen Novellierung des EEG haben Bundestag und Bundesrat nunmehr entschieden, dass die Regelung ab 1. Januar 2023 für Neuanlagen bis 25 Kilowatt vollständig entfällt. In der dritten Novelle des Energiesicherungsgesetzes wurde die Abschaffung der 70-Prozent-Kappungsregel für Neuanlagen auf den 14. September 2022 zeitlich vorgezogen, für Bestandsanlagen entfällt die 70-Prozent-Kappungsregel bis zu einer installierten Leistung von 7 Kilowatt.
Mit dem MoU „Erneuerbare Energien schneller ans Netz“ bekennen sich die Unterzeichner (neben dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie sind dies die bayerischen kommunalen Spitzenverbände, der Verband der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft, die bayerischen Netzbetreiber, die EE-Verbände, der Verband kommunaler Unternehmen, der Bayerische Genossenschaftsverband sowie der Bayerische Bauernverband) zur Notwendigkeit von Stromnetzertüchtigung und –ausbau. Diese sind zwingende Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende.
Das MoU umfasst alle Handlungsfelder für einen schnelleren Netzanschluss neuer EE-Anlagen:
- Die Maßnahmen für den Netzausbau werden bei Vorhabenträgern und Genehmigungsbehörden mit Priorität behandelt. Sie sorgen für die kontinuierliche Bearbeitung durch Fachpersonal. Das bayerische Wirtschaftsministerium setzt sich für ausreichende Personalkapazitäten bei Landratsämtern, Naturschutzbehörden etc. ein.
- Die Vorhabenträger entwickeln Lösungsansätze, wie Probleme mit Eigentümern, Bewirtschaftern, Kommunen und Verbänden bereits vor dem Genehmigungsverfahren ausgeräumt werden können.
- Doppelanmeldungen von Anlagen bei verschiedenen Netzbetreibern sollen künftig vermieden werden, um keine unnötigen Kapazitäten zu binden und die Vorgänge insgesamt zu beschleunigen.
- Von entscheidender Bedeutung für den Ausbau der erneuerbaren Energien ist die Bereitstellung geeigneter Flächen. In einem weiteren, intensiven Austausch werden die beteiligten Organisationen konstruktive Lösungen für eine sachgerechte Steuerung sowohl der kommunalen Flächenausweisung wie auch der Netzausbauplanung erarbeiten.
- Netzdienliche Flexibilitäten wie Batteriespeicher und Elektrolyseure sollen stärker als bisher genutzt werden.
Das vollständige Dokument lässt sich auf der Seite zur Initiative „Verteilnetz und erneuerbare Energien Bayern“.