Nachfolge in Bayern
Den Ausgangspunkt der Offensive bildete 2017 eine groß angelegte empirische Untersuchung des Nachfolgegeschehens. Ein repräsentative Umfrage unter 1.539 Unternehmern und ergänzende Interviews mit 103 Experten lieferten detaillierte und praxisnahe Informationen zur Unternehmensnachfolge.
In einem weiteren Schritt wurden die bestehenden Rahmenbedingungen und Unterstützungsmaßnahmen für die Unternehmensnachfolge untersucht und Optimierungsmöglichkeiten aufgezeigt. Die Studie enthielt eine Prognose zum Nachfolgegeschehen für den Zeitraum 2017 – 2021. Eine aktuelle Untersuchung erfasst das Nachfolgegeschehen für den Fünfjahreszeitraum 2022 – 2026.
Kernaussagen der Studie:
- In Bayern stehen zwischen 2022 und 2026 nahezu 36.500 Unternehmen mit einem erwirtschafteten Mindestgewinn von 50.000 Euro und knapp über 618.000 Mitarbeitern vor einem Generationenwechsel. Das sind ca. 7.000 Unternehmen und ca. 120.000 Beschäftigte mehr als im vorherigen Fünfjahreszeitraum 2017 bis 2022. Die zunehmende Dynamik des Generationenwechsels erklärt sich mit der wachsenden Zahl an Unternehmern aus der "Babyboomer"-Generation, die das Ruhestandsalter erreicht.
- Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Unternehmensübergabe sind laut Untersuchung ein frühzeitiges Handeln der Unternehmen. Familieninterne Nachfolgen stellen in allen Regierungsbezirken die bevorzugte Nachfolgelösung dar. Der Übergabeprozess kann in der Regel mehrere Jahre in Anspruch nehmen.
- Familieninterne Nachfolgen stellen in allen Regierungsbezirken aus Übergebersicht die bevorzugte Nachfolgelösung dar. Die Übergeber präferieren die Übertragung des Eigentums am Unternehmen durch Vererbung oder (Teil-) Schenkung und seltener durch einen Unternehmensverkauf. Im Laufe des Übergabeprozesses setzt sich eine familieninterne Lösung deutlich stärker durch als ursprünglich geplant. Zu beobachten ist auch, dass die Übergeber einen allmählichen Rückzug bevorzugen, während die Übernehmer die Übertragung in einem klaren Schnitt forcieren und auch realisieren.
- Bei familienexternen Nachfolgen verbindet die Mehrzahl der Übergeber den Rückzug aus der Unternehmensführung mit der Übertragung des Eigentums.
- Die Unternehmensgröße hat Einfluss auf die Nachfolgelösung. Je größer die Beschäftigtenzahl eines Unternehmens, desto eher wird eine familieninterne Lösung angestrebt und auch realisiert. Die größeren Unternehmen sind für Familienmitglieder attraktiver. Sie haben bessere betriebswirtschaftliche Kennziffern und ermöglichen aufgrund ihrer Differenziertheit unterschiedlichen Ausbildungsrichtungen einen Zugang. Darüber hinaus sind größere Unternehmen durch Externe aufgrund des höheren Kaufpreises schwerer zu finanzieren.
- 42 Prozent der Berater geben einer familieninternen Nachfolgeregelung die besten Entwicklungschancen, ein knappes Drittel erkennt keine Unterschiede zwischen einzelnen Nachfolgelösungen. Weniger positiv werden die Übernahme durch einen Mitarbeiter des Unternehmens (16 Prozent), die Trennung von Eigentum und Führung (5 Prozent) oder der Verkauf des Unternehmens (1 Prozent) bewertet.
- Im Verlauf des Nachfolgeprozesses wird eine familieninterne Übergabe zunehmend präferiert. Übergeber in spe, die frühestens in zwei Jahren einen Generationenwechsel anpeilen, können sich deutlich häufiger eine familienexterne Nachfolge vorstellen als aktuelle Übergeber.
- Familieninterne Übernehmer finanzieren ihre Übernahme größtenteils mit Eigenkapital und Krediten. Beteiligungskapital Dritter, Förderdarlehen und Darlehen des Übergebers werden vergleichsweise seltener genutzt.
- Bei familienexternen Übernehmern stellen Eigenkapital und Kredite ebenfalls die Hauptfinanzierungsform dar. Die Bedeutung von Förderkrediten und Haftungsfreistellungen bzw. Bürgschaften ist hier deutlich höher. Darüber hinaus werden häufiger Übergeberdarlehen zur „Streckung“ der Kaufpreiszahlung gewährt. Eine Leibrente zahlt jeder sechste Übernehmer.
- Aus Sicht der Berater sind Bank- und insbesondere auch Förderkredite, heute und auch zukünftig die wichtigsten Finanzierungsinstrumente bei einem Generationenwechsel.
Nur gut die Hälfte der Unternehmer fühlt sich auf den Nachfolgeprozess gut oder gar sehr gut vorbereitet. Insbesondere zur Vertragsgestaltung und zum Steuerrecht besteht sowohl bei Übergebern als auch bei den Übernehmern Beratungsbedarf. Dabei greifen die Betroffenen in erster Linie auf Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zurück. Zahlreichen Übergebern und Übernehmern ist allerdings nicht bekannt, dass es eine Reihe guter Beratungsangebote gibt.
Die aktuellen Übergeber rechnen damit, dass der Übergabeprozess bei einer familieninternen und auch bei einer familienexternen Nachfolge i.d.R. mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann. Rund die Hälfte der Übergeber veranschlagt für eine externe Nachfolge einen Abwicklungszeitraum von weniger als zwei Jahren, 45 Prozent gehen von zwei bis vier Jahren und für fünf Prozent von über vier Jahren aus. Für einen familieninternen Generationenwechsel werden dagegen deutlich längere Zeiträume einkalkuliert (29 Prozent weniger als zwei Jahre, 33 Prozent zwei bis vier Jahre, 38 Prozent über vier Jahre).
Ein alles entscheidender Erfolgsfaktor für eine gelungene Unternehmensnachfolge kann aus Sicht der Experten nicht eindeutig bestimmt werden. Die wichtigsten Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Zu den Hauptproblemen gehören eine zu späte Auseinandersetzung des Übergebers mit dem Thema und seine mangelnde Fähigkeit, sich emotional vom eigenen Unternehmen zu lösen. Abweichende Kaufpreisvorstellungen der Parteien sowie die Bestimmung des Unternehmenswertes gestalten sich ebenfalls häufig schwierig.
- Übergeber greifen auf die Beratungsleistungen nach Meinung der Experten zumeist gerade noch rechtzeitig zurück, haben dann allerdings oft keine klare Zielvorstellung. Bei der Suche nach einem Nachfolger treten häufig Probleme auf.
- Erfolgreiche Unternehmensübergaben werden auch aus Sicht der Unternehmer frühzeitig und rechtzeitig eingeleitet. Dabei gibt der Übergeber den Startschuss für den Beginn des Nachfolgeprozesses i.d.R. selbst. Seine Bereitschaft, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, ist entscheidend.
- Wichtig ist die gemeinsame Gestaltung der Übergangsphase durch Übergeber und Übernehmer. In drei von vier familieninternen Unternehmensnachfolgen findet eine gemeinsame Einarbeitungszeit von durchschnittlich etwas über zwei Jahren statt. Bei familienexternen Übernehmern erfolgt in sechs von zehn Fällen eine Einarbeitungszeit von durchschnittlich acht Monaten.
- Nahezu alle erfolgreichen Übernehmer nehmen nach dem Neustart Veränderungen in mindestens einem Teilbereich der Arbeitsorganisation vor, insbesondere im Bereich Marketing und Vertrieb. Zahlreiche Neuerungen werden auch bei Produkten bzw. Dienstleistungen und Produktionsprozessen durchgeführt, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern.
- Probleme können am ehesten durch unerwarteten Finanzierungsbedarf entstehen und gehen vor allem auf nicht eingeplante Ersatzinvestitionen oder Erweiterungsinvestitionen zurück.
- Die Digitalisierung stellt für die Übernehmer eine der größten unternehmerischen Herausforderungen dar. Nur die Hälfte der Unternehmen stellt sich dieser Aufgabe.
- Die Übernehmer, die i.d.R. deutlich jünger als die Übergeber sind, setzen sich nur etwas intensiver mit einer Analyse der mit der Digitalisierung verbundenen Chancen und Risiken sowie mit der Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie auseinander. Vier von zehn Übernehmern beschäftigen sich (noch) unzureichend mit der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell.
- Im Handwerk gehen signifikant mehr Unternehmer davon aus, dass die Digitalisierung radikale Veränderungen für ihr Geschäftsmodell bedeutet, gleichzeitig verfügen aber weniger Handwerker über eine Digitalisierungsstrategie.
- Je größer die Beschäftigtenzahl eines Unternehmen, desto intensiver ist die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung. Ein solcher Trend ist deutlich bei Unternehmen ab zehn Mitarbeitern zu erkennen.
Das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Notfallvorsorge hat in den zurückliegenden Jahren zugenommen. Die Unternehmer treffen größtenteils Vorkehrungen für den Fall der ungeplanten Nachfolge. Hierbei werden sowohl Maßnahmen zum Schutz des Unternehmens als auch zum Schutz der Familie getroffen. Gleichzeitig besteht noch Verbesserungsbedarf im Hinblick auf die Vollständigkeit und die Aktualität der Vorkehrungen.
- Die Nachfolgeinitiativen der vergangenen Jahre haben zu einer regionalen Vernetzung der Akteure geführt. Allerdings ist die Kooperation zwischen den Beratern aus dem öffentlichen und dem privaten Bereich nicht sehr stark ausgeprägt.
- Berater aus öffentlichen Institutionen arbeiten deutlich seltener mit Rechtsanwälten und Notaren zusammen als private Berater, die wiederum bevorzugt mit den (Förder-)banken, Steuerberatern und Rechtsanwälten kooperieren.
- Für ihre Arbeit nutzen die Berater bevorzugt die eigenen Netzwerke zur Unternehmensnachfolge sowie eigene Unternehmensnachfolgebörsen. Vier von zehn Beratern greifen auf externe Unternehmensnachfolgebörsen bzw. Websites zurück.
- Was den Informationsstand der Berater über öffentliche Förderprogramme anbetrifft, fühlen sich die privaten Berater weniger gut informiert (Schulnote 2,6) als die öffentlichen Berater (Schulnote 1,9).
- Bei der Inanspruchnahme von Beratungsleistungen sind Kleinstunternehmen mit eins bis neun Beschäftigten, die in den nächsten Jahren drei von vier Unternehmensnachfolgen auf sich vereinen werden, unterrepräsentiert. Hier scheint das Unterstützungsangebot entweder nicht adäquat wahr- bzw. angenommen zu werden.
In den letzten Jahren sind Quantität, Qualität, Praxisbezug und Transparenz von Information, Beratung und Förderung des Generationswechsels kontinuierlich verbessert worden. Auf Initiative des Bundes, der Länder, Kammern und Finanzinstitute wurde umfangreiches Informationsmaterial erstellt, in attraktiver Form mit praktischen Hinweisen zur Umsetzung aufbereitet und der Zugang zu Informationen über das Internet erleichtert. Darüber hinaus sind die finanziellen Unterstützungsmaßnahmen, die bei der Unternehmensnachfolge Anwendung finden, ein wichtiges Förderelement auf Bundes- und Landesebene. Es kommen dabei vor allem zinsgünstige Darlehen und Haftungsfreistellungen bzw. Bürgschaften sowie Zuschüsse für produktive Investitionen zum Einsatz.
Bayern ist mit seinem Förder- und Beratungsangebot für die Herausforderung des Generationenwechsels damit insgesamt sehr solide aufgestellt.
Allerdings sind viele der existierenden Informations- und Beratungsangebote zur Unternehmensnachfolge bei zahlreichen Übergebern und Übernehmern (noch) relativ unbekannt. Hier besteht weiterer Informationsbedarf. Zudem wäre es wünschenswert, dass bestehende Förderprogramme – beispielsweise im Bereich der Finanzierung – künftig die Übergeber und Übernehmer deutlich spezifischer und expliziter als bisher als förderberechtigte Zielgruppen in der Öffentlichkeit adressieren. Bayern greift mit der „Offensive Unternehmensnachfolge.Bayern“ wichtige Optimierungsvorschläge auf.
Die Offensive soll
- Unternehmer für eine frühzeitige Einleitung der Unternehmensübergabe und eine verbesserte Notfallplanung sensibilisieren,
- die bestehenden Beratungs- und Unterstützungsangebote bei Unternehmern und – im Hinblick auf Fördermöglichkeiten – auch bei privaten Beratern noch bekannter machen,
- zu einer besseren Vernetzung der Nachfolgeberater führen und
- Kleinstunternehmen noch besser in die Informations- und Beratungsleistungen einbeziehen.